Eingesperrt

Im Moment sind die Handwerker im Erdgeschoss unseres Hauses und schon gestern hat mich der Geruch nach Lack im Treppenhaus ziemlich gestört. Jetzt ist es aber noch schlimmer geworden, denn inzwischen hat er sich seinen Weg in unsere Wohnung gebahnt. Der Flur vor der Wohnungstür riecht nach Lack, selbst in der Küche hat man ständig einen leichten Duft danach in der Nase. Also bleibt mir gar nichts anderes übrig, als alle Türen zu schließen und zu hoffen, dass es dabei bleibt. Das Dumme ist nämlich, dass mir sofort flau im Magen wird, wenn ich das rieche. Und da helfen auch keine anderen Gerüche – das ist so ein unterschwelliger chemischer Duft, der lässt sich nicht übertünchen. Wahrscheinlich erinnert er mich zu stark an die Eindrücke unter der Chemo. 

Mal zur Erklärung für alle, die das noch nicht hinter sich bringen mussten. Während der Chemotherapie sitzt man in einem bequemen Stuhl, so etwa wie einem Zahnarztstuhl. Ich werde über meinen Port an eine Infusion angeschlossen. Zunächst Cortison, dann das Epi. Wenn das rote Zeug einläuft, habe ich das Gefühl, dass meine Zunge die Chemie schmecken kann und auch die Nase liefert Geruchseindrücke, die an Lösungsmittel erinnern. Bis dieses Gefühl komplett wieder weg geht, dauert bei mir ein paar Tage. Bis dahin habe ich immer einen leicht chemischen Geschmack im Mund.

Zusammen mit den tatsächlichen Lösungsmitteln wird das auf jeden Fall echt ekelig. Jetzt sitze ich eingesperrt im Wohnzimmer und lese. Eigentlich sollte ich spazieren gehen ... aber ich glaube, das kriege ich heute wieder nicht hin. Vielleicht versuche ich gleich eine kleine Yogaeinheit einzulegen. Dafür muss ich ja nicht raus.